Interview • 23.02.2012
„Es gibt mittlerweile ganz klar SB-Kassen-Fans“
Interview mit Uwe Pieper, Bereichsleiter real,- Orga/DV-Warenwirtschaft
Im April 2003 hat die Metro Group – damals im Extra Future Store in Rheinberg – mit der Einführung der SB-Kassen im deutschen Lebensmitteleinzelhandel begonnen. Im Oktober 2003 startete der Rollout in Ratingen bei Düsseldorf. Mittlerweile sind nach Angaben von Uwe Pieper rund 70 real,- Märkte bundesweit mit SB-Kassen ausgestattet. Doch manchmal werden Geräte auch wieder abgebaut. Im EuroCIS-Interview berichtet er über Kunden, Konfigurationen und das Kassenpersonal.
Welche Konfiguration hat sich am besten bewährt?
Hauptsächlich setzen wir die so genannte "scan 'n bag"-Lösung ein. Das bedeutet: Ein Viererfeld SB-Kassen, bei dem jeweils zwei SB-Kassen hintereinander und 2:2 gegenüber stehen. Der Kunde fährt bei diesem System mit seinem Einkaufswagen direkt an die SB-Kassenstation, scannt einen Artikel (scan) und packt diesen danach sofort in eine Einkaufstüte (bag). Ein Laufband an dieser Kasse entfällt.
Wie viele SB-Kassen wollen Sie noch installieren?
Der Einsatz von SB-Kassen ist mit einer großen Investition für jedes Unternehmen verbunden. Gerade aus diesem Grunde überprüfen wir grundsätzlich individuell für jeden Markt, ob wir mit dem Einsatz der SB-Kassen tatsächlich dem Wunsch unserer Kunden nach einer noch höheren Kundenorientierung entgegenkommen. Zudem ist der Einsatz von SB-Kassen bei Neubauten kein Problem, während bei bereits bestehenden Flächen auch baulich Voraussetzungen gegen den Einsatz von SB-Kassen sprechen können.
Welchen Platzbedarf kalkulieren Sie für SB-Kassen im Vergleich zu Kassen mit Personal?
Durch die Installation von vier SB-Kassen reduziert sich die Anzahl der bisher eingesetzten Kassen meist nur um eine, an einigen Standorten maximal um zwei traditionelle Kassen. Die Anzahl der für die Kunden verfügbaren Kassen steigt also in jedem Fall an und bedeutet in Spitzenzeiten für unsere Kunden eine weitere Entspannung des gesamten Kassenablaufes. Im Durchschnitt verfügt ein real,- SB-Warenhaus über 15 herkömmliche Kassen.
Apropos Personal. Wie viele Mitarbeiter haben Sie jetzt weniger im Kassenbereich? Gab es deswegen Entlassungen?
An keinem der genannten Standorte ist es durch den zusätzlichen Einsatz von SB-Kassen zu einem Abbau von Kassenpersonal gekommen.
Wie lange dauert die Einführungsphase in den Märkten und was ist dabei zu beachten?
Die Einführungsphase der SB-Kassen dauert circa sieben Tage. Das beinhaltet das Aufstellen und in Betrieb nehmen der Systeme sowie die Schulung der Mitarbeiter. Natürlich muss darauf geachtet werden, dass die Technik einwandfrei angeschlossen ist und das System lückenlos mit Daten gespeist ist. Auch die Mitarbeiter müssen sich mit dem neuen System vertraut machen und die Technik verstehen. Nur so können wir unsere Kunden optimal betreuen und dafür sorgen, dass wir bei Problemen schnell und kompetent zur Seite stehen.
Welche Kundengruppen nutzen die Kassen besonders intensiv?
Bei allen bislang zu diesem Thema vom Hersteller oder von uns durchgeführten Studien hat sich eines herausgestellt: Es gibt mittlerweile ganz klar SB-Kassen-Fans. Das sind Kunden, die – wenn immer es möglich ist – die SB-Kassen als zeitsparende Zahlungsalternative nutzen. Dazu gehören vor allem Kunden mit einem kleinen Warenkorb, die die Vorteile der SB-Kasse zu schätzen wissen. Beispiele sind Büroangestellte in der Nähe unserer Märkte, die sich drei bis vier Artikel für die Mittagspause kaufen und durch die SB-Kasse die Möglichkeit haben, schnell wieder unseren Markt verlassen zu können, so dass noch genug Zeit für die Mittagspause bleibt.
Eine weitere Gruppe sind beispielsweise Handwerker, die morgens auf dem Weg zum Kunden ein paar Lebensmittel für den Tag kaufen. Solche Kundengruppen freuen sich, wenn sie, dank SB-Kassen, recht zügig ihren Einkauf beenden können.
Es gibt aber auch Kunden, die es bislang ablehnen, die SB-Kassen zu benutzen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Manche Kunden möchten sich einfach nicht umgewöhnen, sind nicht grundsätzlich gegen SB-Kassen, möchten aber nicht selber den Kassiervorgang erledigen. Das brauchen sie bei uns ja auch nicht, denn wir bieten an allen Standorten nach wie vor die „ganz normale Kasse“. Und es gibt Kunden, die aus einer inneren Überzeugung die Benutzung von SB-Kassen ablehnen. Auch diesen Kundengruppen geben wir die Möglichkeit, ihre Produkte an den altbekannten Kassen bezahlen zu können. Ihnen stehen also nach wie vor Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung, mit denen sie an der Kasse ein paar Worte wechseln können.
Zwischen diesen beiden Kundengruppen gibt es die Pragmatiker, die immer dann die SB-Kassen benutzen, wenn in Stoßzeiten der Kassiervorgang an den traditionellen Kassen zu lange dauern würde. Unsere Erfahrung zeigt aber auch, dass sich viele Kunden mit einem großen Einkauf nach wie vor für eine traditionelle Kasse entscheiden, da ab einer bestimmten Anzahl von Produkten unser gut ausgebildetes und geübtes Kassenpersonal einfach schneller scannt und kassiert, als es die Kunden selber leisten könnten.
Welche SB-Nutzungsquote stellt Sie zufrieden?
Beim Einsatz von SB-Kassen geht es nicht um eine Quote, sondern darum, dass unsere Kunden im gesamten Kassenbereich nicht warten müssen. Das stellen wir durch den Einsatz von immer geöffneten SB-Kassen als „Überholspur“ und somit Alternative zu herkömmlichen Kassen sicher.
Wie viele Ihrer Filialen erreichen diese Quote?
Wir stellen in allen Filialen, in denen wir SB-Kassen betreiben, fest, dass es zu einer deutlich entspannteren Kassensituation kommt.
Beispiel Memmingen: Hier haben Sie eine ehemalige Wal-Mart-Filiale. 2011 wurden SB-Kassen eingeführt – und einige bereits wieder abgebaut. Warum? Ein typischer Fall?
Typisch an diesem Fall ist, dass in derartigen Projekten neue Ansätze ausprobiert werden. Sollte sich innerhalb des Projektverlaufes herausstellen, dass diese nicht wie erwartet vom Kunden angenommen werden, wird selbstverständlich die neue Systematik modifiziert und an die Kundenbedürfnisse angepasst.
Bargeld oder Karte – ist das Zahlungsverhalten an SB-Kassen anders als mit Bedienung? Wird die bargeldlose Quote mit Funkgeld steigen?
An den Selbstbedienungskassen können die Einkäufe in bar, mit EC- oder Kreditkarte gezahlt werden. Das Bezahlverhalten unterscheidet sich nicht erheblich vom Zahlverhalten an den traditionellen Kassen. Ob sich die Bezahlung per NFC durchsetzt, können wir zum heutigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Ab Ende Januar 2012 wird im real,- Future Store in Tönisvorst die Zahlung mit NFC als zusätzliche Zahlungsart angeboten.
Manche Kunden nutzen die Zahlautomaten gern, um Wechselgeld loszuwerden. Können Sie einen Kostenspareffekt beim Cash Recycling beziffern?
Wir konnten bisher nicht feststellen, dass Kunden nur deshalb gerne die Zahlautomaten nutzen, um dort ihr Wechselgeld loszuwerden. Wir sehen das daher auch nicht als Problem.
Wie hoch ist die Betrugsquote beim SB-Scannen?
An unseren SB-Kassen verzeichnen wir keine besonders hohe Anzahl an Diebstählen, da im System eine Diebstahlsicherung integriert wurde. Unter der Tüte befindet sich eine Wiegeeinheit, die das Gewicht des in die Tüte gepackten Artikels mit dem in einer Datenbank hinterlegten spezifischen Produktgewicht für diesen Artikel vergleicht. Ist die Differenz zu groß, sperrt die Kasse und muss manuell wieder freigegeben werden.
Wie hoch ist im Vergleich dazu die Kassendifferenz bei Kassen mit Personal?
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir hierzu keine Angaben machen können.
Wie schnell oder langsam sind die Kunden beim Scannen?
Auch hier zeigt sich ein Vorteil der SB-Kassen: Der Kunden selbst bestimmt das Tempo und kann seine gekauften Artikel gleich so einpacken, wie er es gerne möchte.
Was erwarten Sie von der EuroCIS in Sachen SB-Kassen und SB-Zahlterminals?
Jedes Jahr werden spannende neue Technologien und Trends für den Handel vorgestellt. Auch in diesem Jahr erwarten wir viele Weiterentwicklungen und lassen uns gerne von den Fortschritten überzeugen.
Interview: René Schellbach, Erstveröffentlichung EuroCIS.com
23.02.2012